Das Deutschlandticket (49-Euro-Ticket) ist auf einem Handybildschirm zu sehen.

Ein Jahr 49-Euro-Ticket

Digitales Deutschlandticket in BW - Wer mobil sein will, muss digital sein

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Hanna Autenrieth

Für 49 Euro mit Bus und Bahn - das Deutschlandticket jährt sich. Seit dem Jahreswechsel gibt es das Abo nicht mehr in Papierform. Das stößt bei Teilen der Bevölkerung auf Kritik. 

Seit einem Jahr gibt es das Deutschlandticket und nach wie vor ist es sehr beliebt. Jeder und jede vierte Deutsche hat im vergangenen Jahr ein 49-Euro-Ticket gehabt. Das sind monatlich um die 11,2 Millionen Abos.

Doch seit dem Jahreswechsel ist das Deutschlandticket in Papierform Geschichte. Die Fahrkarten dürfen nur noch digital auf dem Smartphone oder einer Chipkarte ausgegeben werden.

Für die meisten jungen Leute ist das ein Fortschritt. Schwierig wird es jedoch für diejenigen, die kein Smartphone besitzen, sich dieses nicht leisten können oder das Ticket aus anderen Gründen nicht über die App nutzen wollen.  

Smartphone darf nicht zur Notwendigkeit werden

Der Fahrgastverband PRO BAHN stellt sich klar gegen die wachsende Abhängigkeit vom Smartphone im Bahnverkehr. "Der Zwang zum Besitz eines funktionierenden und geladenen Smartphones schließt zahlreiche Menschen von der Nutzung von Mobilitätsangeboten aus", heißt es in einer Pressemeldung des Verbands. Der Fahrgast trage dadurch das Risiko für schlechten Empfang, defekte Steckdosen und schlecht programmierte Apps. 

Auch für Menschen mit Behinderung und einen Großteil der Älteren führt die digitale Fahrkarte in der App zu Problemen. Über die Hälfte der Deutschen über 65 Jahren besitzt kein Smartphone, wie eine Studie von bitkom research zeigt. Für sie fällt die Ticketnutzung über die App weg. "Das ist eine Form von Ageism, also Altenfeindlichkeit", meint Eckart Hammer, Vorsitzender des Landesseniorenrates Baden-Württemberg. Es könne nicht sein, dass ein großer Teil der Bahnfahrenden nicht mehr mitfahren könne.  

Nach einem Jahr Deutschlandticket gibt es viel Lob, doch auch die Kritik hält an. So berichtet der SWR Aktuell Rheinland-Pfalz am 30.4. zu dem Thema:

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Deutschlandticket auf einer Chipkarte

Die meisten Tarifverbünde in Baden-Württemberg bieten als Alternativlösung zum digitalen Ticket in der App eine elektronisch kontrollierbare Chipkarte an. Diese Möglichkeit würde auch von einem größeren Teil der Fahrgäste bevorzugt, sagt Lothar Probst, Geschäftsführer des Waldshuter Tarifverbunds. 

Das Deutschlandticket muss jedoch meist bis zum Zehnten des Vormonats bestellt werden, damit es im Folgemonat genutzt werden kann. Spontankäufe der Fahrkarte sind dadurch ausgeschlossen. Wegen erhöhter Nachfrage und der Hard- und Software, die angepasst oder erneuert werden muss, kommt es außerdem bei einigen Anbietern derzeit zu Verzögerungen. Übergangsweise gab es dafür das Ticket in Papierform, das fällt nun weg.  

Chipkarte ist nur eine bedingte Alternative zur App

Im Vergleich zum Handyticket sei die Chipkarte deutlich teurer und administrativ aufwändiger, erklärt Sven Malz vom Tarifverbund Ortenau. Die Karte an sich koste circa 4,50 Euro pro Stück, hinzu kommen Versand und der Druck eines Anschreibens. Deshalb wird die Option von den Verbünden ungern genutzt. Verpflichtend ist sie zudem nicht. 

Das schließt vor allem den älteren Teil der Bevölkerung von dem Angebot aus.

In vielen Fällen ist die Chipkarte außerdem nur digital bestellbar. Da es sich um ein Abomodell handelt, kann das Ticket nicht über einen Automaten bezogen werden. Einige Verbünde bieten die Möglichkeit, die Chipkarte in einer Filiale zu bestellen, diese fehlen aber vor allem an kleineren Bahnhöfen. Für Menschen ohne Zugang zu digitalen Medien ein Problem. "Das schließt vor allem den älteren Teil der Bevölkerung von dem Angebot aus", kritisiert Hammer. 

Digitalisierung - für die einen ein Segen, für die anderen ein Problem 

Rund die Hälfte der über 65-Jährigen besitzt ein Smartphone oder einen Computer. Das garantiere jedoch nicht, dass ältere Menschen auch gut damit umgehen könnten, so Hammer. Den Senioren würde dann oft geraten, sich Hilfe zum Beispiel bei einem Nachbarn zu suchen. "Das ist für mich aber auch eine Form der Entwürdigung, wenn man immer darauf angewiesen ist, sich Hilfe zu suchen." 

Das ist für mich aber auch eine Form der Entwürdigung, wenn man immer darauf angewiesen ist, sich Hilfe zu suchen.

Der Landesseniorenrat BW bietet Schulungen in Richtung Digitalisierung für Ältere an. Er will den Seniorinnen und Senioren den Zugang zu den digitalen Medien erleichtern. Gleichzeitig kämpft er jedoch auch dafür, dass analoge Dienste erhalten bleiben und es weiterhin Menschen gibt, die beraten und unterstützen. Für Hammer ein wichtiges Mittel, um Ältere vor Einsamkeit zu schützen: "Was den Jüngeren recht ist, ist für Ältere ein weiterer Beitrag zur Vereinsamung. Es ist umso wichtiger, dass es Dienste gibt, wo man mit jemanden redet und menschlichen Kontakt hat."

Digitalisierung darf nicht über Zwang geschehen 

Ein funktionierendes Smartphone dürfe nicht zur Voraussetzung für eine Zugfahrt werden, fordert PRO BAHN. So würde ein Teil der Bevölkerung von der Mobilität durch die Bahn ausgeschlossen. Zwar bietet die Chipkarte für viele Bahnfahrende eine gute Alternative, für ältere Menschen seien jedoch der digitale Bestellprozess und die fehlenden Schalter ein Problem.

Fragen und Antworten zum 49-Euro-Ticket Deutschlandticket: Teurer Flop oder Erfolg?

Mehr Menschen vom Auto weg in Bus und Bahn bringen - das war Ziel des 49-Euro-Tickets. Funktioniert hat es eher selten. Aber durch die Debatten bewegt sich was im Nahverkehr.

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Der Sozialverband VdK Baden-Württemberg befürwortet die Digitalisierung des Deutschlandtickets. Sie mache den Zugang für viele Leute wesentlich einfacher. Trotzdem müsse für all diejenigen, die aufgrund ihres Alters oder einer Behinderung nicht mit Smartphones oder dem Computer umgehen können, eine analoge Alternative erhalten bleiben.

So sieht das auch Hammer. Er wünscht sich zudem, dass es die Chipkarte auch an Schaltern oder Automaten an den Bahngleisen zu kaufen gibt. Das würde die Selbstständigkeit der Seniorinnen und Senioren schützen.

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Hanna Autenrieth