vl Hartmut Neuber, Guy Olszanski, Camilla Orlandi, Aglaja Stadelmann, Hannelore Bähr, Nikki van Rijswijk, Dennis Bodenbinder, Vladimir Staicu, Helena Vogel

Pfalztheater Kaiserslautern wagt Experiment

„Moby Dick“ hat das Klima im Fokus: Wie nachhaltig kann Kunst und Kultur sein?

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AUTOR/IN
Luisa Sophie Klink

Das Theaterstück „Moby Dick – Reflexion unter steigenden Temperaturen“ am Pfalztheater Kaiserslautern ist klimaneutral produziert. Bei Kostümen, Bühnenbild, selbst beim Boden: Überall wurde auf Nachhaltigkeit geachtet. Doch funktioniert das auch? 

Schon seit geraumer Zeit wird in Kunst und Kultur Wert auf Nachhaltigkeit gelegt – meist aber eher beim Produkt.

So werden Kunstwerke aus alten Kleidern, ausrangierten Elektrogeräten oder Abfall geschaffen oder die Themen Klimawandel und Nachhaltigkeit bei Performances, Filmen oder Theaterstücken aufgegriffen. Dass die Produktionen selbst aber häufig wenig klimaneutral sind oder waren, wurde zunächst nicht bedacht.

Kultureinrichtungen erstellen Klimabilanz

Ein echter Wandel fand 2021 statt, als man in einem bundesweiten Pilotprojekt der Kulturstiftung des Bundes Daten von insgesamt 19 unterschiedlichen Kultureinrichtungen erhob, um eine Klimabilanz zu erstellen.

Hierbei wurde untersucht, an welchen Stellen der größte CO2-Fußabdruck hinterlassen wird. Und tatsächlich kam dabei heraus, dass der größte Teil der Emissionen bei der Besucher- oder Mitarbeiteranreise oder durch die Veranstaltung selbst entsteht.  

Aglaja Stadelmann (Kapitän Ahab) und Ensemble
Der starrsinnige Kapitän Ahab (Aglaja Stadelmann) jagt Schiff und Crew wegen Rachegelüsten ins Verderben. Ohne Rücksicht auf Verluste hetzt er den weißen Pottwal Moby Dick. Walfang wurde damals zu einer Triebfeder der Industrialisierung, zur Ausbeutung im großen Stil. Bild in Detailansicht öffnen
Aglaja Stadelmann mit Ensemble
Regisseur Robert Neumann sieht darin eine Analogie zu einer Gesellschaft, die sich in ständigem Wettlauf zu maximalem Wachstum befindet (im Bild: Aglaja Stadelmann mit Ensemble). Bild in Detailansicht öffnen
Szene aus dem klimaneutralen Theaterstück "Moby Dick"
Melvilles Epos ist für den Regisseur Robert Neumann der Anfang einer Entwicklungsspirale, deren Auswirkungen die Welt mittlerweile an den Rand des Kollapses manövrierten. Bild in Detailansicht öffnen
Dennis Bodenbinder, Vladimir Staicu, Helena Vogel
Um wirklich klimaneutral zu inszenieren, wurde auf jedes Detail geachtet. Die Container, die aussehen, als seien sie aus Metall ... Bild in Detailansicht öffnen
Bühnenbild zu "Moby Dick" am Pfalztheater Kaiserslautern
... sind in Wirklichkeit aus Pappe. Bild in Detailansicht öffnen

Pfalztheater Kaiserslautern: nachhaltig im doppelten Sinne

Am Pfalztheater Kaiserslautern wird das Thema Klimaneutralität und Nachhaltigkeit bei „Moby Dick“ gleich in doppelter Weise behandelt.

Einerseits reflektiert die Inszenierung von Regisseur Robert Neumann die Inhalte des Romans von Herman Melville unter dem Eindruck der Klimakrise: Zur Zeit des Erscheinens des Romans 1851 wurde in großem Stil Walfang betrieben, um den Tran, Öl aus dem Fettgewebe der Tiere, für Lampen oder zum Schmieren von Maschinen zu verwenden.

Neumann sieht darin eine Art Parallele zur heutigen Zeit, vielleicht sogar den Ursprung der Klimakrise. Bereits damals wurde zum Zwecke der Industrialisierung der Klima-, Natur- und Tierschutz hintangestellt.

Andererseits versucht das Theater auch bei der Umsetzung die Themen Klimaneutralität und Nachhaltigkeit in den Fokus zu rücken und inszeniert klimaneutral. Zugleich erhofft man sich auch eine Debatte zum Thema Klimawandel und Raubbau mit der Umwelt anzustoßen.

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Am Premierenwochenende vom 4.-5. Mai wird es deswegen am Pfalztheater ein sogenanntes Klima-Fokus Wochenende mit Vorträgen, Workshops und anderen Aktionen wie Anleitungen zum Upcycling, Reparaturarbeiten in Eigenregie oder zum Bau eines Wildbienenhauses geben. 

Was bedeutet eigentlich klimaneutral?

Deutschland will bis 2045, Baden-Württemberg schon bis 2040 klimaneutral werden. Um einen Schritt in die richtige Richtung zu gehen, müssen auch sämtliche staatlichen Einrichtungen ihren CO2-Fußabdruck im Auge behalten. Aber was bedeutet „klimaneutral“ eigentlich?

Zunächst einmal heißt das, dass etwa durch Produktionen, Veranstaltungen oder bei der Fortbewegung klimaschädliche Gase in der Atmosphäre nicht erhöht werden.

Szene aus dem klimaneutralen Theaterstück "Moby Dick"
Die Proben für das Theaterstück „Moby Dick“ laufen auf Hochtouren. Die Kostüme stammen aus dem reichhaltigen Fundus des Pfalztheaters Kaiserslautern.

Wie das allerdings geschieht, ist das Entscheidende. Klimaneutralität kann man sich in gewisser Weise nämlich auch erkaufen, in dem man beispielsweise einen Ausgleichsbeitrag an eine Organisation bezahlt, die die Emissionen an anderer Stelle reduziert.

Das ist aber nicht die Lösung, da somit die Emissionen in Deutschland nicht reduziert werden und auch kein Anreiz für Innovationen geschaffen wird. Deshalb ist es besser, wenn man selbst, in der eigenen Produktion oder Veranstaltung auf Klimaneutralität setzt und den CO2-Ausstoß reduziert.

Pfalztheater setzt bei Inszenierung auf Klimaneutralität 

Genau das macht das Pfalztheater Kaiserslautern bei „Moby Dick“. So kommen beim Bühnenbild laut Neumann echte alte Segel, die ansonsten weggeworfen worden wären, oder statt eines PVC-Bodens ein Tanzteppich aus Linoleum, der mit Kork unterfüttert ist, zum Einsatz.

Auch die gesamten Requisiten oder Kostüme sollen wiederverwendet werden, indem sie an andere Kultureinrichtungen weitergereicht werden.

Bühnenbild zu "Moby Dick" am Pfalztheater Kaiserslautern
Den Tanzboden aus Linoleum, Kork und Jurte hat der Bühnenbildner Georg Burger entwickelt.

Jeder, der das Auto stehen lässt, bekommt ein Freigetränk

Da aus der Klimabilanz hervorging, dass ein großer Teil der CO2-Belastung durch An- und Abreisewege, sei es durch das Publikum oder die Mitarbeitenden, verursacht wird, setzt das Theater nicht nur bei der eigenen Wahl der Transportmittel an, sondern bietet auch für das Publikum einen Anreiz: Jeder, der zur Vorstellung klimaneutral kommt, erhält ein Freigetränk.

Und auch inhaltlich und musikalisch wird das Thema Klimakrise behandelt – Texte dazu, etwa von Bruno Latour oder Alana Mitchell und ein Mix aus mystischen Walgesängen und Seefahrerliedern trifft auf den stampfenden Rhythmus heutiger Containerschiffe.

Bühnenbild zu "Moby Dick" am Pfalztheater Kaiserslautern
Mit den Segelbahnen, die von echten Booten stammen, weht ein Hauch wahrhaftiger Seefahrt auf der Bühne.

„Moby Dick“ ist Teil des Klimaprojekts „Fonds Zero“

Die klimaneutrale Produktion ist Teil des Programms „Zero“ der Kulturstiftung des Bundes, das im Anschluss an die vorgenommene Klimabilanzierung entstanden ist.

Von 2022 bis 2027 werden 25 Projekte mit insgesamt acht Millionen Euro gefördert. Darunter etwa: „Mary, Queen of Scots” an der Oper Leipzig, das Jugendtheaterstück „Funken“ am Staatstheater Braunschweig oder die Tanzperformance „Melodrama Suits Her“ im Theater Hebbel am Ufer (HUA) in Berlin.

Als größte ökologische Herausforderung betrachtet das Pfalzheater das Heizen und Kühlen der Proben- und Aufführungsräume. Der klimafreundlichste Umgang damit wird während des Projekts noch erforscht.

Um voneinander zu lernen, finden regelmäßige Treffen der Projektteilnehmer statt. So sollen Wissen und Erfahrungen ausgetauscht werden, um die Kulturlandschaft auf lange Sicht insgesamt klimafreundlich gestalten zu können. 

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